Wie direkt darf kommunale Demokratie sein?

Im Jahr 1999 verabschiedete der Hessische Landtag das „Gesetz zur Stärkung der Bürgerbeteiligung und der kommunalen Selbstverwaltung“. Was zunächst nach klassischem Amtsdeutsch klingt, war nichts anderes als eine groß angelegte Reformation des kommunalen Wahlsystems. 17 Jahre später scheint das Mehr an direkter Demokratie einer Mehrheit zu viel zu sein. In einer Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag der Frankfurter Neuen Presse, gab eine große Mehrheit der Hessen an, dass das Wahlsystem auf kommunaler Ebene vereinfacht werden soll. Quer durch alle Bildungsschichten gab es eine deutliche Mehrheit bei der Angabe, dass das Wahlsystem zu kompliziert sei. Doch was sagt das über ein Wahlsystem, das den Bürgerinnen und Bürgern genau das bringen sollte, was so oft gefordert wird? Nämlich mehr Einflussmöglichkeiten auf die Zusammensetzung der kommunalen Parlamente und damit mehr direkte Demokratie. Wenn sich also eine deutliche Mehrheit für die Vereinfachung des Wahlsystems ausspricht, muss man dann konstatieren, dass das System gescheitert ist? Muss man das Kumulieren und Panaschieren damit wieder abschaffen? Selbst Anhänger der im Landtag vertretenen Parteien sprechen sich laut der Umfrage für die Vereinfachung aus, halten das System für zu kompliziert, nur bei Anhängern der Linken gibt es eine leichte Mehrheit, die sagt, das System sei zumutbar.

Umfrage Forsa Wahlsystem

Die Vertreter der Hessischen Parteien sind unentschieden. Es sollen Gespräche stattfinden, die die Kritik am Wahlsystem beurteilen sollen. Die Sozialdemokratie hatte die Komplexität bereits direkt nach der Wahl kritisiert, die CDU auf der anderen Seite verweist auf die Mitbestimmungsmöglichkeiten, die das System mit sich bringt. Mit der Frage nach dem Kumulieren und Panaschieren geht auch die Frage nach einer Sperrklausel einher. Drei Prozent, fünf Prozent oder eben wie gehabt keine Sperrklausel, hierzu gibt es verschiedene Meinungen. In dieser Frage darf es aber kein Schwarz und Weiß geben, es gibt hier sicher keine ultimative Antwort. Fünf Prozent Sperrklausel, dafür aber Kumulieren und Panaschieren. Oder Keine Sperrklausel, dafür aber auch kein Kumulieren und Panaschieren. Da kommen einem ja schnell ein paar Möglichkeiten von Deals und Vereinbarungen in den Kopf, die in Gesprächen zwischen Parteien entstehen könnten. Aber lohnt es sich nicht viel mehr für dieses Wahlsystem zu kämpfen? Es nicht abzuschaffen, sondern einfach besser zu erklären?

Ja, Kumulieren und Panaschieren schafft mehr direkte Demokratie. Das gefällt denen, die davon profitieren und missfällt denen, die davon negativ beeinflusst sind. Andererseits sollte dieses Wahlsystem eigentlich ein Aufruf an alle Kommunalpolitiker Hessens sein, sich zu engagieren und zwar nicht erst sechs Wochen vor dem Wahltag, sondern zu jeder Zeit und dauerhaft. Kommunalpolitik ist eben doch mehr, als nur die reine Arbeit in den Parlamenten. Wenn man sagt, der große Vorteil der Kommunalpolitik sei, dass man Leute wählen kann, die man kennt, die Nachbar, Freund, Familienmitglied sind, dann muss man dies auch verkörpern. Tut man dies, sollte einem das Wahlsystem deutlich zusagen, tut man dies nicht, tritt man eben für die Änderung des Wahlsystems ein.

Man kann also über eine Sperrklausel diskutieren, die Zersplitterung des Frankfurter Parlaments zeigt, dass es vielleicht nicht so gut ist, wenn 0,4 oder 0,5 Prozent für den Einzug reichen. Man sollte aber nicht das System des Kumulierens und Panaschierens ankratzen. Die Aufgabe der Politik ist es, dieses System wieder und wieder zu erklären. Es den Leuten näher zu bringen, Instrumente zu entwickeln, die das Wählen einfacher machen, andere Stimmzettel beispielsweise in Städten wie Frankfurt oder dergleichen mehr. Es lohnt sich, für das Wahlsystem zu kämpfen und es lohnt sich, so nah am Bürger zu sein, dass die Wahlbeteiligung steigt und die Wähler gerne viele Kreuze setzen.

 

(Quelle: http://www.fnp.de/rhein-main/Wie-sollen-wir-waehlen;art801,1966383, zuletzt geprüft: 19.04.2016, 09:47 Uhr)