Analyse der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung

Die Frankfurterinnen und Frankfurter haben gewählt. Leider nur 39 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung, aber das Ergebnis steht fest. Welche Schlüsse kann man daraus ziehen und wie geht es nun im Römer und damit in Frankfurt weiter. Ein Versuch einer Analyse: 1556489_10204222580365267_1814359970713621928_oBunt sieht es aus, das vorläufige Endergebnis für die Stadtverordnetenversammlung. Insgesamt 15 (!) Listen werden künftig im Römer vertreten sein, davon mehr als die Hälfte mit nur einem oder zwei Stadtverordneten. Das wird sich sicher auch auf die Arbeit niederschlagen. Abzuwarten gilt, ob sich der ein oder andere Einzelkämpfer einer bestehenden Fraktion anschließt oder ob sich fraktionslose Stadtverordnete zusammentun, um eine neue Fraktion zu bilden. Es ist davon auszugehen, dass so etwas geschehen wird, ob dies dann auch Auswirkungen auf die Regierungskoalition hat, wird sich zeigen. Sollte tatsächlich die ein oder andere „Römer-WG“ entstehen, wird dies auf jeden Fall Auswirkungen auf die Arbeit haben, denn dann gibt es nicht nur Fraktionsgelder für diese Gemeinschaften, sondern auch Ausschusssitze. Darüber hinaus hat das Verschieben der Machtverhältnisse auch unmittelbare Auswirkungen auf den Magistrat. Nicht nur der Kampf um die hauptamtlichen Dezernentenposten wird spannend, auch die Aufteilung der ehrenamtlichen Posten wird interessant, denn danach richtet sich bei vielen Fraktionen auch, wer schnell oder demnächst nachrücken wird.

12822628_10204222344199363_380460940_oDamit kommen wir zur Stimmenverteilung bei der CDU. Vorneweg, ich habe es leider nicht geschafft, in die Stadtverordnetenversammlung einzuziehen. Schaut man sich die Verschiebungen an, möchte ich ein paar Hypothesen aufstellen:

  1. Diese Hypothese ist nicht sonderlich innovativ, aber: Das schlechte Gesamtergebnis führt dazu, dass gerade neue Bewerber es schwer hatten, sich in die Fraktion zu kämpfen. Der Einfluss der Bundespolitik, der nicht in Abrede zu stellen ist, ließ die CDU-Fraktion um ganze sechs Mandate schrumpfen, das haben vor allem neue Kandidaten zu spüren bekommen.
  2. Diese Hypothese richtet sich vor allem an meine Position: Der Frankfurter Norden ist zwar nach wie vor eine absolute CDU-Hochburg, aber er ist letztendlich wohl doch zu einwohnerschwach, als dass man Kandidaten, die nicht unter den ersten 20 stehen, nach vorne kumulieren kann. Nimmt man das Ergebnis des Ortsbeirats als Grundstein haben mich die Einwohner in Nieder-Erlenbach, aber wohl auch in Harheim und Nieder-Eschbach gerne unterstützt, letztendlich reichte das aber nicht, um in den Römer einzuziehen, denn und damit kommen wir zur dritten Hypothese:
  3. Wer aus einwohnerstärkeren Bezirken kommt und darüber hinaus noch eine Community hinter sich weiß, der hat es geschafft extrem viele Plätze gut zu machen. Beispiele hierfür sind Bewerber, die auf Stimmen von Nationencommunitys setzen konnten oder aber auf die Stimmen vieler (ehemaliger) Kollegen aus großen Betrieben. Auch das ist keine innovative Hypothese, zeigt aber, dass kumulieren und panaschieren eben doch einen enormen Effekt haben kann.
  4. Vielleicht eine der spannenderen Hypothesen: Es gab einen wohl recht eindeutigen JU-Malus. Wenn wie vorab genannt, Bewerber aus einwohnerstarken Bezirken und mit genau zu benennender Community einen Bonus hatten oder haben, so zeigt das Ergebnis, dass es wohl einen Malus für Bewerber der Jungen Union gab. Alle JUler wurden um mindestens drei Plätze nach unten gereicht. Der ein oder andere konnte dies abfedern, weil er diesen Malus mit dem Bonus der Einwohnerstärke auffing, andere, dazu zähle bedauerlicherweise ich, konnten dies nicht so gut abfedern, weil sie zum entweder aus einwohnerschwachen Bezirken kommen oder aus Bezirken, in denen die CDU keinen großen Rückhalt hat kommen oder aber weil sie in einem Bereich der Liste standen, in denen schon wenige hundert Stimmen größere Verschiebungen verursachen. So oder so, alle JU-Kandidaten unter den ersten 50 Listenplätzen haben Plätze verloren. Wie systematisch dieser Malus Anwendung fand, ist natürlich nicht ganz klar einzuschätzen. Aber klar ist, es muss ihn gegeben haben.
  5. Diese Hypothese schließt noch einmal an die erste Hypothese an: Kandidaten, die erstmals für den Römer antraten wurden eher nicht gewählt, als bereits amtierende Stadtverordnete oder Leute, die entweder schon einmal auf der Liste standen oder aber durch den Posten eines Ortsvorstehers oder zumindest aus einem einwohnerstarken Bezirk kommend einen bekannteren Namen haben.

Dies also einmal fünf Hypothesen, die sich natürlich zunächst auf die Verschiebungen auf der CDU-Liste beziehen. Ich gratuliere allen gewählten Stadtverordneten recht herzlich, jeder Einzelne von ihnen hat es verdient der nächsten Fraktion anzugehören. Gerade denen, die es geschafft haben, Plätze gut zu machen und damit einzurücken, gratuliere ich sehr. Allen, die schon bald nachrücken werden, gratuliere ich ebenfalls, denn die ersten Nachrücker sind zum Teil auf diese Plätze förmlich nach oben geschossen.

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Für die zukünftige Arbeit im Römer wird es nun bald zu Koalitionsverhandlungen kommen. Klar ist, es gibt eine Koalition aus mindestens drei Parteien. Das ist nicht nur nie einfach, sondern harte Arbeit. Wird es eine sogenannte Kenia-Koalition, also CDU, SPD und Grüne, hieße dies eine Koalition aus zwei Dritteln strukturell linker Parteien und einem Drittel konservativer Partei. Kommt es zu einer Koalition aus CDU, SPD und FDP („Deutschland-Koalition“) hätte man grundsätzlich ein Drittel konservativ, ein Drittel links und eines liberal. Was marginal klingt, hat aber unmittelbare Auswirkungen auf die Arbeit und auf das Ansehen der Parteien vor allem in den eigenen Reihen. Auch wenn es jeweils bundespolitische Themen waren, die die letzten beiden Kommunalwahlen beeinflussten, so hat die CDU in der Koalition mit den Grünen seit 2006 rund ein Drittel Wähler verloren. Man hat das schlechteste Ergebnis seit 1952 erlangt. Die SPD hat sich zwar um zwei Prozentpunkt gesteigert, aber das bedeutet dennoch das zweitschlechteste Ergebnis der SPD in der Nachkriegszeit und auch wenn die zwei Prozent mit dem amtierenden OB zu tun haben könnten, ist ein OB-Bonus von zwei Prozent nicht sonderlich viel. Man vergleicht die Situation rundum Petra Roth, die 1995 Oberbürgermeisterin wurde und der CDU damit wohl 1997 zum Wahlsieg verhalf. Dass Koalitionen negative Auswirkungen auf Wahlergebnisse haben, haben sowohl die SPD, als auch die FDP bei den letzten Bundestagswahlen erlebt. Alle Parteien wissen also, dass sie zwar gerne regieren möchten, dass dies aber auch bedeutet, Abstriche machen zu müssen in Koalitionsverhandlungen und dass dies letztendlich auch negativ bewertet wird. Man sieht also in Frankfurt wird es keiner Partei einfach gemacht und das wird wohl auch die kommenden fünf Jahre so sein.

Zum Abschluss meiner Wahlanalyse muss ich noch einmal auf das Wahlsystem, die fehlende Prozenthürde und die Wahlbeteiligung zu sprechen kommen. In meinen Hypothesen sieht man schon, das Kumulieren und Panaschieren hat deutliche Effekte. Am Wahlabend haben einige Vertreter der SPD bereits gefordert, dies abzuschaffen. Ich bin da anderer Meinung. Auch wenn es unter anderem mich erwischt hat und ich gefallen bin, halte ich das kumulieren und panaschieren für einen Akt direkter Demokratie. Ich weiß, dass die SPD-Vertreter damit vor allem auf die extrem schwache Wahlbeteiligung anspielten. Der Stimmzettel hat sicherlich abgeschreckt und zur allgemeinen Politikverdrossenheit noch beigetragen. Aber in meinen Augen sollte man vielleicht doch andere Mittel und Wege finden, wie man die Wahl vereinfachen kann, sprich den Stimmzettel anders gestalten kann und doch diesen Akt der direkten Demokratie wahren kann. Ich finde persönlich es lohnt sich, hier Arbeit und Energie zu investieren, um weiter kumulieren zu können. Viel mehr sollte es nun auf der Tagesordnung stehen eine Prozenthürde einzuführen. Für Europawahlen galten einmal drei Prozent als Sperrklausel. Dies sollte auf kommunaler Ebene übernommen werden. Für diese Wahl würde dies bedeuten, dass anstatt 15 Listen nur noch sechs Listen im Römer vertreten wären. Das hieße nicht nur, dass die Regierungsbildung einfacher wäre – was nicht hieße, dass jeder damit zufrieden wäre – sondern das hieße auch, dass die parlamentarische Arbeit geregelter und konstruktiver verlaufen würde. Schließlich würde man so vielleicht auch noch den Stimmzettel verkleinern, denn bei einer Hürde von drei Prozent würden womöglich letztendlich doch weniger Listen antreten, als gänzlich ohne Begrenzung, dies könnte wiederum unmittelbare Auswirkung auf die Wahlbeteiligung haben. Einige Aufgaben also, die nun anstehen werden. Klar ist, man wird einige davon nicht auf kommunaler Ebene lösen können, sondern braucht das Land hierfür. Andere jedoch, wie die Steigerung der Wahlbeteiligung sollte eine gemeinsame Aufgabe aller Demokraten Frankfurts sein. In fünf Jahren hoffe ich davon berichten zu können, dass in Frankfurt wieder deutlich mehr Leute den Weg zur Wahlurne gefunden haben.